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Im Rahmen der Veranstaltungen: "150 Jahre Albert-Schweitzer-Schule" hielt Prof. Harald Lesch einen viel beachteten Vortrag. Begleitet wurde der Vortrag von einer Ausstellung des Wahlkurses Astronomie.

Oberhessische Zeitung  (11.06.2011)

 

Zugabe-Rufe nach einer Physik-Doppelstunde

 

(gsi). Für das nächste Schuljahr ist Elisabeth Hillebrand, Schulleiterin der Albert-Schweitzer-Schule, noch auf der Suche nach einem Physiklehrer - für einen Abend hatte sie die perfekte Besetzung bereits gefunden: Prof. Harald Lesch, Astrophysiker, Naturphilosoph, Wissenschaftsjournalist und Fernsehmoderator, referierte im Rahmen des Programms zum 150-jährigen Bestehen des Alsfelder Gymnasiums über die Frage „Was hat das Universum mit uns zu tun?“ Begleitet wurde der Vortrag von einer Ausstellung des Wahlkurses Astronomie, wie Mario Cimiotti, Fachbereichsleiter Mathematik und Naturwissenschaften, in seiner Anmoderation bekanntgab.

 

Den gebürtigen Vogelsberger Harald Lesch zeichnet ein besonderer Präsentationsstil aus: Jeder, der den Wissenschaftler aus einer Fernsehsendung kennt, wusste, was ihn in Alsfeld erwartete: unprätentiöser Umgang mit Wissenschaft und Philosophie, deren Inhalte er versucht einem großen Publikum nahezubringen. Wer Harald Lesch noch nicht kannte, durfte erstaunt sein über dessen lockeren Umgang mit keinen geringeren Fragen als die zur Entstehung des Universums, zur Entwicklung des Menschen und schließlich auch der Frage nach Gott auf der langen Zeitleiste, die der lebhafte Professor auf der Bühne der Aula der Albert-Schweitzer-Schule in der Krebsbach vom Urknall bis zur Gegenwart für sein Publikum beschritt. Er sprach ohne Mikrofon und ohne Konzeptblatt, denn das hätte er kaum länger als eine kleine Sekunde in der Hand behalten - seine Hände braucht Harald Lesch zum Reden, genauso wie seine Gesicht die vielbesagten Bände spricht, wenn er etwas erklärt, und sein ganzer Körper mitgeht, wenn er hochkomplexe Vorgänge in der Astrophysik völlig unwissenschaftlich auf ein verständliches Niveau bringt.

 

Astronomen, so sein Einstieg, bekommen ihre Informationen stets aus der Vergangenheit, jeder Lichtstrahl, der zu ihnen dringt, hat ein mehr oder weniger hohes Alter und so machen sie, die Astronomen, sich auf den Weg von der Gegenwart zurück zum Anfang des Universums. Ein Vortragsprofi ist Harald Lesch, einer, der sein Publikum von Anfang an einbezieht, eine Herzensangelegenheit ist es ihm, etwas zu erzählen über das Universum, den Urknall, die Expansion. Sein Redefluss ist kaum zu stoppen und bleibt dennoch übersichtlich und in vielen Teilen auch für den Laien nachvollziehbar, zumal der vielfach ausgezeichnete Wissenschaftsjournalist durch zahlreiche Anekdoten und Vergleiche eine Relevanz für seine Zuhörer schafft: „Höhe mal Länge mal Breite mal Publikum ist Atmosphäre“ - eine wohl bisher unbewiesene Theorie des Professors, doch, so wird man erfahren, sind in der Physik alle Theorien unbewiesen, sie wirken lediglich dadurch, dass sie noch nicht durch Experiment oder Beobachtung widerlegt sind.

 

Davon, dass das Universum hauptsächlich aus Nichts besteht (sonst könnte man die Sterne nicht sehen), hörten die Gäste am Donnerstagabend, davon, dass sich das Universum ständig ausdehnt und davon, dass es im Umkehrschluss einmal winzig, winzig klein gewesen sein muss. „Das Universum ist der Gerichtshof der Naturgesetzte“, so der Astrophysiker. Klimawandel, Ressourcenknappheit, Gravitation - die Naturgesetze seien nicht verhandelbar. So gehe die Physik bei all ihren Annahmen davon aus, dass es in der Welt mit rechten Dingen zugehe.

 

Von der Entstehung des Periodensystems der Elemente kam Harald Lesch zu vielen Ereignissen in der Geschichte, die Meilensteine auf dem Weg von der Gegenwart zurück zur Entstehung des Universums waren. Von der Quantenmechanik und der Relativitätstheorie hörten die Gäste in der Albert-Schweitzer-Schule, von der Theorie, dass jede Bewegung von einem Beweger erzeugt wird, der wiederum von einem Beweger bewegt wird. Auch der „Gretchenfrage der Natur“ nahm Harald Lesch sich gewohnt locker an: „Wo ist das ganze Zeug hin, das in der Expansion des Universums verloren ging?“ Antwort: „Das sitzt hier rum!“

 

Kompliziert? Ja, das ist es wohl, aber nach Harald Leschs Vortrag war es plötzlich allen ein wenig klarer, dass Menschen Geschöpfe aus Kohlenstoff sind, und dass man bei der Betrachtung des Universums sowohl das Kleinste im Kleinsten sucht als auch das Größte, über das hinaus man nicht denken kann. „Wir Menschen können uns mit dem großen Staunen ausrüsten über eine Natur, die wir größtenteils auch gut beschreiben können“, so eins der vielen Schlussworte des Vorträgers, der, wie er eingangs sagte, ständig über sein Thema sprechen könnte. Aus dem Wissen der Menschen um die Natur erwachse Verantwortung, so das Fazit des Professors, und mit Blick auf den Energiewandel: „Wir sollten uns aufmachen, eine Idee von erneuerbaren Energien zu einer großen Vision zu machen“. Das Universum lehre uns, was wir alles können - es ist „aller Rede und aller Forschung wert“.

 

Am Ende des Vortrages, dem noch viele Fragen aus dem Publikum folgten, waren sogar verhaltene Zugabe-Rufe zu hören - wann hätte es das nach einer Physikdoppelstunde wohl jemals gegeben? Kein Wunder also, dass Elisabeth Hillebrand ihrem prominenten Gast sogleich Avancen mit einer Physiklehrerstelle gemacht hat - die jedoch dürfte Harald Lesch wohl kaum angenommen haben.

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